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Konsequenzen der Prohibition: Mexico

13.12.2017 12:42
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international

Mexikos grausamer Drogenkrieg

Immer mehr US-Bundesstaaten beenden zumindest in Teilen die Prohibition und legalisieren Cannabis als Medizin oder Genussmittel. Auch hierzulande ist die Diskussion wesentlich lebendiger als noch vor wenigen Jahren. Bei all den freudigen Nachrichten über internationale drogenpolitische Liberalisierungen vergessen manche Enthusiasten hin und wieder, dass es leider immer noch zahlreiche Länder gibt, die eisern an der Prohibition festhalten. In dieser Reihe nehmen wir Länder unter die Lupe, in denen die Folgen einer solchen Politik besonders deutlich zutage treten.

Kaum ein Land dieser Erde wird so sehr mit dem berühmt-berüchtigten „Krieg gegen Drogen“ in Verbindung gebracht wie Mexiko. Hier fordern die Auseinandersetzungen mit organisierten Drogenbanden nahezu täglich Opfer. Längst ist klar, dass Polizei und andere Institutionen des Staates von Mitgliedern der Kartelle unterwandert wurden und nicht selten auch Politiker bestochen werden. Die Produktion und der Handel mit illegalen Drogen haben das Land ins Chaos gestürzt – und all das wurde durch die internationale Prohibition ermöglicht, welche dieses Geschäft erst so lukrativ macht.

Ein Blick in die Geschichte

Zwar brach der der grausame Drogenkrieg, in dem das Land auch aktuell immer noch versinkt, erst ab 2006 so richtig aus, doch ihren Anfang nahm die traurige Geschichte bereits lange zuvor. Alles begann, soweit man es denn wirklich konkret verorten will, im „triángulo crítico“, dem kritischen Dreieck (manchmal auch „goldenes Dreieck“ genannt), welches die Bundesstaaten Chihuahua, Durango und Sinola bilden. Hier gedieh gegen Ende des 19. Jahrhunderts zusätzlich zu dem bereits damals etablierten Cannabisanbau verstärkt der Schlafmohn auf den Feldern. Dass die arbeitende Bevölkerung der ländlichen Region das daraus gewonnene Rohopium als Schmerzmittel verwendete, interessierte zunächst beinahe niemanden. Im Rahmen der zweiten Internationalen Opiumkonferenz begann auch in Mexiko 1925 die Ära der Prohibition und ein wirkungsloses Abkommen zur Unterbindung des Schmuggels von Drogen in die USA wurde geschlossen. Die große Veränderung aber kam schließlich mit dem zweiten Weltkrieg. Hanf war in den USA während dieser Zeit gefragt, wurden doch u.a. die Seile und Taue der Marine aus der robusten Pflanze gefertigt. Aber auch die Nachfrage an Schmerzmitteln stieg an – und was lag näher, als sich an die Produzenten im Süden zu wenden. Hinzu kam, dass die amerikanische Mafia aufgrund der veränderten weltpolitischen Lage nicht mehr wie gewohnt an türkisches Opium kam. Sie lösten ihr Versorgungsproblem auf dem gleichen Weg wie die Marine und bedienten den amerikanischen Markt mit Importen aus Mexiko. Nach Kriegsende ging der Handel mit Rohopium und Heroin aus Mexiko zunächst wieder zurück. Was jedoch blieb, war der Schmuggel von mexikanischem Cannabis nach Kalifornien und darüber hinaus.

Der nächste wichtige Schritt hin zur heutigen Situation war die gesellschaftliche Entwicklung der 60er Jahre. Bekanntlich waren die Hippies alles andere als abstinent. Das Interesse an Rauschmitteln stieg massiv an und schnell bestimmten mexikanische Produzenten und Händler den amerikanischen Markt. Nicht nur der Handel mit Cannabis nahm deutlich zu, damals stieg auch die Zahl der Heroinabhängigen drastisch an. Die mafiöse Strukturen in den USA und Europa erstarkten und der Handel mit Heroin aus der Türkei florierte wieder kräftig – bis der Anbau von Opium dort 1971 schließlich verboten wurde. Im selben Jahr erklärte der damalige US-Präsident Richard Nixon die illegalen Rauschmittel zum „Staatsfeind Nr. 1“ und rief kurz darauf den berühmten und längst gescheiterten „war on drugs“ aus. Aus der Vergangenheit wussten die amerikanischen Drogenhändler natürlich, wo sie Ersatz für den ausbleibenden europäischen Stoff finden konnten und so stieg der Handel mit mexikanischem Heroin in den USA wieder gewaltig an. 1975 kamen Fachleuten zufolge bis zu 90 Prozent des in den USA gehandelten Heroins aus dem Süden. Auch der Großteil des Kokains kam aus Kolumbien über die mexikanische Grenze in die Vereinigten Staaten. 

Die US-Drogenvollzugsbehörde DEA drängte die mexikanische Regierung zu einem härteren Vorgehen gegen die Drogenproduktion im Land und so wurde 1975 die „Operation Condor“ ins Leben gerufen. Gemeinsam mit ihren Kollegen von der DEA versuchten die mexikanischen Sicherheitskräfte, die Anbaugebiete im triángulo crítico zu vernichten, in denen ein Großteil des Cannabis und Schlafmohns für dem amerikanischen Markt produziert wurde. Unter der Leitung von General José Hernández Toledo, der zuvor an der blutigen Niederschlagung von studentischen Protesten beteiligt gewesen war, wurden im kritischen Dreieck 10.000 Soldaten eingesetzt. Der General kündigte damals selbstbewusst an, man werde Produktion und Handel binnen sechs Monaten ein Ende setzen. Durch den vorhergegangenen Vietnamkrieg kannten sich die amerikanischen Helfer bestens mit dem Einsatz von chemischen Entlaubungsmitteln aus und so brachte man es mittels Hubschraubern und Kleinflugzeugen großflächig über den Anbaugebieten aus. Die „Operation Condor“ lief bis 1977, der gewünschte Effekt blieb allerdings aus. Zwar reduzierte sich der Drogenhandel tatsächlich eine Zeit lang, doch in der Folge formierten sich die Drogenbanden neu – effizienter als je zuvor. Ende 1984 flog die zwölf Quadratkilometer große Cannabisplantage „The Buffalo“ auf, kurz darauf löste die Ermordung des DEA-Agenten Camarena starke Spannungen zwischen den USA und Mexiko aus. Das Gewaltniveau stieg seitdem immer weiter an, ebenso die Drogenexporte in die USA. An diesem Punkt war die Ära der großen Drogenkartelle längst eingeläutet, bereits 1980 hatte Félix „El Padrino“ Gallardo gemeinsam mit Partnern das Guadalajara-Kartell aufgebaut. Dem mexikanischen Staat entglitt zusehends die Kontrolle über das organisierte Verbrechen.

Calderóns Krieg

Machen wir einen Sprung ins Jahr 2006: Damals trat der konservative Präsident Felipe Calderón sein Amt an und erklärte den „Narcos“ genannten Drogenbanden sofort den Krieg. Er kündigte ein entschiedenes Vorgehen gegen all jene an, die den Staat herausfordern wollten. „Niemand wird sich über das Gesetz stellen. In meiner Amtszeit wird es keine Straflosigkeit geben“, versprach Calderón. Statt Straflosigkeit gab es dann vor allem eines, nämlich jede Menge Tote. Kurz nach seinem Amtsantritt entsandte Calderón im Rahmen der „Operation Michoacán“ 6500 Soldaten in den gleichnamigen Bundesstaat. Damit nahm der „guerra contra el narcotráfico” seinen Anfang, in welchem mittlerweile über 50.000 Soldaten sowie 35.000 Bundespolizisten eingesetzt werden. Das klingt nach einer großen Streitkraft, doch die Narcos verfügen mit geschätzten 300.000 Mitgliedern über noch wesentlich mehr Personal.

Bereits in den ersten Wochen von Calderóns Initiative wurden laut Regierungsangaben 62 Menschen getötet, nach einem Jahr waren es bereits 2.837. Nach inzwischen über zehn Jahren geht die Zahl der Toten des mexikanischen Drogenkrieges mittlerweile in die Hunderttausende. Einem offiziellen Bericht der mexikanischen Regierung aus dem Jahr 2015 zufolge belief sich die damalige Zahl der Opfer „nur“ auf 80.000, andere Quellen sprechen längst von 150.000 bis 200.000 Toten. Hinzu kommen mindestens 30.000 vermisste Personen. Dennoch ist die Macht der Kartelle nicht gebrochen, dennoch gab es nur wenige echte Erfolgsmeldungen. Einige der zu Beginn der harten Offensive festgenommenen Angehörigen der Kartelle wurden zudem bereits wieder aus der Haft entlassen, da man sie mitunter nur wegen geringfügiger Delikte verurteilen konnte. Wenig verwunderlich, machen viele von ihnen genau dort weiter, wo sie aufgehört haben.

Zwei Jahre, nachdem Calderón den Krieg gegen die Narcos zur Chefsache erklärt hatte, intensivierten die USA ihre Unterstützung. Im Jahr zuvor hatte der damalige Präsident George W. Bush die Mérida-Initiative ins Leben gerufen, ein Abkommen, mit welchem die US-Regierung dem südlichen Nachbarn 1,6 Milliarden Dollar zusicherte und militärische Ausrüstung wie Black-Hawk-Kampfhubschrauber und Fahrzeuge zur Verfügung stellte. Es wurden gemeinsame Ermittlungsgruppen eingerichtet, US-Sicherheitskräfte bildeten ihre mexikanischen Kollegen aus. Ein wichtiger Baustein der Kooperation war auch die Zusammenarbeit der Geheimdienste. Die Initiative zeitigte wenige Erfolge, die aber medial aufbereitet als Rechtfertigung für die immensen Ausgaben herhalten mussten. Allerdings kam es im Rahmen der internationalen Zusammenarbeit auch zu Skandalen wie der aufgeflogenen Operation „fast and furious“.

Dieser 2009 und 2010 verdeckt geführte Einsatz des amerikanischen ATF (Bureau of Alcohol, Tobacco, Firearms and Explosives) sollte die verstärkt auftauchenden Berichte über von Strohmännern der Kartelle in den USA gekaufte Waffen bestätigen und das hinter diesen Transaktionen stehende Netzwerk aufdecken. Die Operation scheiterte auf ganzer Linie und sorgte letztlich dafür, dass unter den Augen amerikanischer Ermittler beinahe 2000 Waffen nach Mexiko geschmuggelt wurden. Die nach Bekanntwerden der Geschichte folgende Entrüstung auf beiden Seiten der Grenze fand ihren Höhepunkt, als bestätigt wurde, dass mit diesen Waffen auch mehrere Morde verübt worden waren. Inzwischen war Obama Präsident der USA geworden, so dass ihm die undankbare Aufgabe zuteil wurde, eine Erklärung zu dem Skandal abzugeben: „Ich habe das nicht autorisiert. Aber die US-Regierung ist ein großer Apparat, wo sich viel bewegt. Ich betone ganz klar: Unsere Politik ist es, den Waffenschmuggel in den Süden zu verhindern, denn er trägt zu den Sicherheitsproblemen Mexikos bei. Deswegen versuchen wir auch eine Koordinierung zwischen Mexiko und den USA aufzubauen, die es in dieser Form noch nie gegeben hat.“ Calderóns dringliche Appelle, doch bitte endlich das amerikanische Geschäft mit den Waffen durch schärfere Gesetze einzuschränken, blieben natürlich ungehört.

2010 ergänzte Calderón seine bisherige Strategie und verkündete den „Eingriffsplan Juárez“. Mit Investitionen in die Bildung sowie das Gesundheits- und Sozialsystem wollte er versuchen, der schrecklichen Entwicklung entgegenzuwirken. Zu diesem Zweck sollten umgerechnet 200 Millionen Euro ausgegeben werden, eine angesichts des Kapitals der Narcos nahezu lächerlich geringe Summe: Laut der 2010 veröffentlichten „Bi-National Criminal Proceeds Study“ rangiert der durch den Verkauf von Drogen in die USA durch mexikanische Kartelle erzielte Profit insgesamt im Bereich von 19 bis 29 Milliarden Dollar pro Jahr, andere Quellen sprechen von bis zu 39 Milliarden. Experten begrüßten zwar, dass man sich fortan nicht mehr allein auf Waffengewalt beschränken wollte, doch die meisten waren sich einig, dass diese Bemühungen nicht weit genug gingen. Wieder einmal mahnten Kritiker an, dass der Drogenkrieg ohne eine gezielte Bekämpfung der ausufernden Korruption nicht zu gewinnen sei. Zudem mehrten sich die Stimmen derer, die eine Liberalisierung der Drogengesetze für unabdingbar hielten, wenn man den Banden ihre finanzielle Grundlage entziehen wolle. Bislang wird ihnen allerdings kaum Beachtung geschenkt.

Während Calderóns Amtszeit (2006-2012) wurden 110.000 Tonnen Kokain beschlagnahmt und beinahe 180.000 Hektar Cannabis- und Mohnplantagen zerstört. Im Zuge des mexikanischen Krieg gegen Drogen wurden zwar einige der vormals größten Drogenbanden zerschlagen, doch ein spürbarer positiver Effekt blieb aus. Vielmehr war das Gegenteil der Fall, die verbliebenen Mitglieder der zerschlagenen Kartelle und Banden formierten sich neu, in noch zahlreicheren Gruppen, welchen ein noch weitaus brutaleres Vorgehen nachgesagt wird. Nicht selten wird der Kampf gegen die organisierte Kriminalität in Mexiko mit einem Kampf gegen eine Hydra verglichen: Wird ein Kopf abgeschlagen, wachsen auf der Stelle mehrere nach.

Gewalt, Korruption und Selbstjustiz

Als wäre es noch nicht tragisch genug, dass sich die Situation trotz der immensen Zahl an Opfern immer noch nicht verbessert hat, werfen internationale Menschenrechtsorganisationen den Sicherheitskräften des Landes bereits seit Jahren regelmäßig mitunter schwerwiegende Verletzungen der Menschenrechte vor. Nicht selten heißt es, dass das übliche Vorgehen der Anti-Drogenkämpfer auch Folter einschließe. Laut einem Bericht von Amnesty International aus dem Jahr 2014 hat sich die Zahl der berichteten Folterungen und Misshandlungen durch Sicherheitskräfte zwischen 2003 und 2013 um erschreckende 600 Prozent erhöht. Es häufen sich zudem die Vorwürfe außergerichtlicher Hinrichtungen inhaftierter Verdächtiger. Allein im letzten Jahr forderte der Drogenkrieg verschiedenen Schätzungen zufolge mindestens 21.000 Opfer. Der gegenwärtige Präsident, Pena Nieto, hält allerdings größtenteils weiter an der bisherigen Strategie fest, obwohl sich in Sachen Korruption und Kriminalität nichts verbessert hat. Sicherheitsexperten kritisieren immer wieder das sture Festhalten an der bisherigen Vorgehensweise, denn ohne eine gezielte und effizientere Bekämpfung der systematischen Korruption im Land wird der verzweifelte Kampf gegen die Drogenbanden immer ein aussichtsloser bleiben. Wie groß das mexikanische Korruptionsproblem ist, lässt sich nicht mit Sicherheit sagen, doch verschiedenen Schätzungen zufolge arbeiten mindestens 5 Prozent der Sicherheitskräfte mit den kriminellen Organisationen zusammen. Einige Experten gehen sogar von bis zu 15 Prozent aus.

Der Frust über Korruption und eine von Angst und Gewalt geprägte Alltagsrealität treibt immer mehr Menschen zur Selbstjustiz. Ende Dezember berichtete Anne Demmer aus dem ARD-Studio Mexiko von einem Fall, in welchem eine Frau eine Bürgerwehr gegründet hatte, nachdem ihr Mann von einem Drogenboss entführt worden war. Sie nahmen die Dinge selbst in die Hand und entführten ihrerseits die Mutter des Verbrechers. Über einen Lokalsender verkündete die Frau: „Wir sind es satt, dass Sie ständig unschuldige Menschen entführen.“ Sie schlug dem unter dem Namen „Tequilero“ bekannten Mann einen Austausch vor – der schließlich auch tatsächlich stattfand. Ob ihr Mann wohl ebenso schnell frei gekommen wäre, wenn sie auf die Polizei vertraut hätte? Die Bevölkerung glaubt jedenfalls offensichtlich nicht mehr daran, dass von der Polizei im Kampf gegen die alltägliche Gewalt viel zu erwarten ist.

Angesichts der Opferzahlen und den immer wieder berichteten Gewalttaten ist es verständlich, dass die Bevölkerung den Glauben an eine Lösung der Situation inzwischen verloren hat. Längst häufen sich zudem auch Gewalttaten Jugendlicher: Manche Medien berichten über festgenommene Kinder und Jugendliche, welche eine Tätigkeit für die kriminellen Organisationen des Landes als einziges realistisches Ziel in ihrem Leben wahrnehmen. Man bekommt bei der Recherche zu Mexikos Drogenkrieg schnell einen Eindruck, unter welchen Umständen die jungen Menschen mancher Regionen des Landes groß werden: Die Rede ist von Massengräbern, getöteten Entführungsopfern und Bundespolizisten sowie an öffentlichen Plätzen abgelegten Köpfen. Vor nicht einmal einem halben Jahr machten wieder einmal Berichte über eine Serie von Morden die Runde, nach der sechs Köpfe auf den Straßen deponiert worden waren.

Legalisierung als Lösung?

Während in Mexiko der Drogenkrieg tobt, legalisierten zwischenzeitlich immer mehr US-amerikanische Bundesstaaten die medizinische Nutzung und mitunter auch den Freizeitgebrauch von Cannabis – mit einem auch in Mexiko deutlich spürbaren Effekt. Laut einer 2012 veröffentlichten Studie des Mexikanischen Instituts für Wettbewerbsfähigkeit (IMCO) stammten damals noch zwischen 40 und 70 Prozent des in den USA konsumierten Cannabis aus Mexiko, was den Narcos jährlich bis zu 2 Milliarden US-Dollar einbrachte. Damit fiel der Profit in dieser Sparte beinahe so hoch aus wie der Gewinn aus dem Handel mit Kokain, der auf 2,4 Milliarden Dollar geschätzt wurde. 2014 zeichnete sich dann ab, dass sich die Liberalisierungen der USA auf den Nachbarn im Süden auswirkten: Im Vergleich zum Jahr 2011 war der Handel mit Cannabisprodukten aus Mexiko in den USA mit 24 Prozent um beinahe ein Viertel zurückgegangen, wie aus Daten der US-Grenzpolizei hervorging.

Die mexikanische Regierung freute sich über den Rückgang des Cannabisschmuggels. Kein Wunder, denn das bis vor Kurzem noch flächendeckend vorherrschende Verbot in den USA garantierte den Narcos eine sichere Einnahmequelle. Der Vorgänger von Calderón im Amt des Präsidenten, Vincente Fox, erklärte es einst so: „Der Drogenkonsum in den USA produziert Milliarden von Dollar, die zurück nach Mexiko gelangen, um die Polizei und die Politik zu korrumpieren und Waffen zu kaufen.“ Es ist ein durch die Prohibition ermöglichter Teufelskreis, doch mit den Reformen jenseits der Grenze wurden die Einnahmen der Kartelle auf dem Cannabissektor merklich geschmälert. Der Preis von mexikanischem Cannabis ist in Folge der Legalisierungen drastisch gesunken. Präsident Nieto äußerte sich in der Vergangenheit wiederholt dahingehend, dass die Drogenpolitik beider Länder aufeinander abgestimmt sein sollte, doch für eine Liberalisierung im eigenen Land fehlen ihm offenbar sowohl der Wille, solche Reformen tatsächlich anzugehen, als auch die Unterstützer.

Ende 2015 erkämpfte sich eine Handvoll mexikanischer Cannabis-Aktivisten das Recht auf Eigenanbau. In diesem Kontext stufte das mexikanische Verfassungsgericht das generelle Verbot des Cannabiskonsums als verfassungswidrig ein. In der Folge wurde zwar eine Kommission eingerichtet, welche die Möglichkeiten von drogenpolitischen Reformen eruieren sollte, doch außer einem kleinen Schritt hin zur Liberalisierung im Umgang mit medizinischem Cannabis ist seither nicht viel geschehen. Auf Drängen Mexikos, Kolumbiens und Guatemalas fand 2016 dann die Sondergeneralversammlung der Vereinten Nationen zum Weltdrogenproblem UNGASS drei Jahre früher statt als eigentlich geplant, doch entscheidende Reformen wurden bekanntlich auch dort nicht beschlossen. Nietos im Rahmen der UNGASS überraschend vorgeschlagenes Gesetz, welches in Mexiko u.a. den Besitz von Eigenbedarfsmengen von bis zu 28 Gramm Cannabis entkriminalisieren sollte, wurde letztlich von Mitgliedern seiner eigenen Partei ausgebremst. Es bedürfe „weiterer Analysen“, um die Effektivität einer solchen Maßnahme belegen zu können, hieß es. Dennoch wurde Nietos Vorschlag als erstes Anzeichen eines drogenpolitischen Gesinnungswandels gewertet, denn seine sämtlichen Vorgänger sprachen sich erst nach Ende ihrer jeweiligen Amtszeit dafür aus, Liberalisierungen zumindest in Erwägung zu ziehen.

Natürlich ist die Legalisierung von Rauschmitteln kein Allheilmittel, wenn es um die Bekämpfung der organisierten Kriminalität geht, doch sie ist mit Sicherheit ein wichtiger Baustein. Die meisten Experten bezweifeln längst, dass sich der Drogenkrieg mit Waffengewalt beenden lässt. Stattdessen mehren sich die Stimmen derer, die auf Liberalisierung drängen. Dass dies tatsächlich einen Effekt haben kann, zeigt die Entwicklung in Sachen Cannabis. Allerdings sollte bei aller Freude über den Rückgang des Cannabisschmuggels nicht vergessen werden, dass die Kartelle einen größeren Anteil ihrer Gewinne aus dem Handel mit harten Drogen und zahlreichen weiteren kriminellen Aktivitäten beziehen. Der durch die US-Legalisierungen eingebrochene Profit im Cannabishandel hatte zur Folge, dass sich die Narcos wieder verstärkt auf die Produktion von Heroin und Meth konzentrieren.

Die in den USA erwirtschafteten Milliardenprofite der Kartelle werden wohl auch die vom frischgebackenen US-Präsidenten Donald Trump geplante Mauer an der über 3000 Kilometer langen Grenze nicht schmälern können. Mexikanische Analysten attestieren Trump, dass er die Dynamik des Drogenhandels zwischen den beiden Ländern nicht im Geringsten verstanden habe. Dies gilt aber offenbar auch für die Verantwortlichen in der Drogenpolitik: Obwohl die Prohibition und der Krieg gegen Drogen auf ganzer Linie und mit schlimmsten Konsequenzen gescheitert sind, bewegt sich nur wenig. Ein umfassender Kurswechsel der (internationalen) Drogenpolitik wäre jedoch eines der wenigen aussichtsreichen Mittel, das sinnlose Blutvergießen endlich zu beenden.

Dieser Artikel stammt aus der grow Ausgabe 2-2017. Wir veröffentlichen hier aus jeder neuen Ausgabe unseres Print-Magazins vier vollständige Artikel - erst als Leseproben, acht Wochen später als vollständige Texte, gratis für alle. Falls du diese Ausgabe nachbestellen möchtest, schau doch mal in unseren Shop. Alternativ findest du die Ausgabe auch als ePaper zum bequemen Lesen auf deinem Smartphone, PC oder Tablet.

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