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Cannabis & Führerschein: „Genießen Sie ihren Joint“

11.07.2025 16:05
von grow! Magazin
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Politik und Gesellschaft

Cannabis & Führerschein: „Genießen Sie ihren Joint“

Viel zu lange wurden Hanffreundinnen und -freunde in Besitz einer Fahrerlaubnis aufgrund ihres Cannabiskonsums kriminalisiert und stigmatisiert. Viel zu vielen Menschen wurde aufgenötigt, sich der berühmt-berüchtigten medizinisch-psychologischen Untersuchung (MPU) zu unterziehen und demütig „zu Kreuze“ zu kriechen, um ihre Fahrerlaubnis wieder zurückzubekommen. Doch erfreulicherweise haben sich die Zeiten geändert. Endlich gibt es einen einheitlichen Grenzwert, endlich müssen Konsumierende, welche vernünftig mit Cannabis umgehen, keine Angst mehr vor Kontrollen haben. Ist jetzt alles klar und eindeutig geregelt? Nicht ganz.

 

Stolpersteine bei der Wiedererteilung

Bereits im vergangenen Jahr berichteten wir über die ersten Glücklichen, welche ihre wegen früherer einmaliger Grenzwertüberschreitungen unterhalb des neuen Wertes von 3,5 Nanogramm THC je Milliliter Blutserum entzogene Fahrerlaubnis nun wieder erteilt bekommen haben. In erfreulich vielen Fällen scheint ein einfacher Antrag auf Wiedererteilung auszureichen. Dazu braucht es neben Ausweis, Passbild und einer Antragsgebühr lediglich noch einen Sehtest, eine Bescheinigung über einen absolvierten Erste-Hilfe-Kurs sowie ein behördliches Führungszeugnis. In einigen Fällen wurde bereits bei Antragstellung eine vorläufige Fahrerlaubnis ausgestellt.

Zwischenzeitlich haben wir verschiedene weitere Personen bei ihrem Versuch begleitet, ihren verlorenen Führerschein zurückzubekommen und dabei auch festgestellt, dass es durchaus noch Fälle gibt, in welchen nicht alles ganz reibungslos läuft. So erzählte uns Anouk aus NRW, warum sie der Vorgang viele Nerven gekostet hat. Sie hatte bereits vor acht Jahren ihre Fahrerlaubnis abgegeben, weil sie bei einer Verkehrskontrolle positiv auf THC getestet worden war – allerdings deutlich unter dem nun gültigen Grenzwert. Mit der Anpassung der Fahrerlaubnisverordnung an die neue drogenpolitische Realität entfiel für Anouk endlich auch die Notwendigkeit zur Absolvierung einer MPU. Also setzte sie sich guter Dinge mit dem für sie zuständigen Straßenverkehrsamt in Verbindung.

Von diesem erhielt sie eine Liste der für die Antragsstellung notwendigen Dokumente. Diese entsprach der oben genannten, allerdings wurde von ihr nicht nur ein einfacher Sehtest, sondern ein augenärztliches Gutachten verlangt. Auch eine ärztliche Untersuchung zur Feststellung der Fahreignung forderte man von ihr. Immerhin: Das Straßenverkehrsamt gab Anouk gleich eine Liste mit Adressen mit, bei welchen man die verlangten Untersuchungen machen lassen könnte. In der Annahme, eine reine Formalie zu erledigen, wandte sie sich an einen der Anbieter. Dort geriet sie allerdings an eine Medizinerin, welche ihr sofort einen ideologischen Vortrag hielt, sobald sie vom Hintergrund des Gutachtens erfuhr. Als entschiedene Gegnerin der neuen Gesetzgebung wetterte sie gegen die Legalisierung als „größten Fehler“, behandelte sie belehrend und herablassend – und verweigerte Anouk schließlich ein positives Gutachten. Stattdessen vermerkte sie auf dem entsprechenden Dokument, dass sie aus ärztlicher Sicht nicht von einer Trennung zwischen Konsum und Teilnahme am Straßenverkehr ausgehen könne. Diese frustrierende Erfahrung durfte Anouk dann auch noch mit 70 Euro bezahlen.

Um den Antrag dennoch schon auf den Weg zu bringen, ging Anouk ohne die geforderten Gutachten zum Straßenverkehrsamt – und wurde überrascht. Denn bei diesem Termin erfuhr sie endlich, warum die zusätzlichen Dokumente von ihr verlangt wurden: Der Führerschein, welchen sie damals abgegeben hatte, war ein „alter Dreier“. Aufgrund des Jahrgangs ihrer Fahrprüfung war Anouk im Besitz eines alten Führerscheins der Klasse 3 und damit dazu berechtigt gewesen, Fahrzeuge mit einem zulässigen Gesamtgewicht von bis zu 7,5 Tonnen zu führen. Für die Ausstellung einer solchen Fahrerlaubnis sind allerdings besagte Gutachten notwendig.

Da Anouk das bei heutigen Pkw-Führerscheinen der Klasse B zulässige Gesamtgewicht von bis zu 3,5 Tonnen ausreichte, bekam sie zu ihrer großen Überraschung bereits bei ihrer Antragstellung eine vorläufige Fahrerlaubnis überreicht. Nach ihrer frustrierenden Erfahrung mit der Medizinerin und deren Anti-Cannabis-Einstellung war das Gespräch mit der Sachbearbeiterin der Führerscheinstelle umso erfreulicher: Sie habe die alte Gesetzgebung schon immer für Blödsinn gehalten, verrät sie ihr und wünscht ihr bei der Verabschiedung: „Genießen Sie Ihren Joint am Wochenende.“

Bedeutet die aktuell gültige Gesetzeslage also endlich ein Ende der Diskriminierung und Kriminalisierung von Cannabiskonsumierenden? Zumindest in einer Sache scheint nun Klarheit zu herrschen: Seit August 2024 gilt der neue THC-Grenzwert von 3,5 Nanogramm. Eine Entziehung der Fahrerlaubnis bei einmaligem Vergehen ab 1 Nanogramm, wie zuvor praktiziert, ist damit rechtswidrig – und ein rechtswidriger Verwaltungsakt muss erfreulicherweise zurückgenommenen werden. In solchen Fällen kann die entzogene Fahrerlaubnis ohne MPU wieder erteilt werden. Allerdings bleibt es dabei, dass jede Entscheidung in derartigen Angelegenheiten im Einzelfall getroffen wird. Sollten individuelle Einflussfaktoren, wie z.B. nachgewiesene Abhängigkeit oder Mischkonsum, vorliegen, kann nach wie vor eine MPU gefordert werden.

 

Endlich sicher? Nicht ganz.

Spricht man mit Anwältinnen und Anwälten, welche sich explizit mit Fragen rund um Cannabis und Fahrerlaubnis auseinandersetzen, so gibt es durchaus noch Unsicherheiten. Konkret geht es dabei um den neuen Paragraphen 13a der Fahrerlaubnisverordnung (FeV). Dieser soll die „Klärung von Eignungszweifeln bei Cannabisproblematik“ regeln. Das Problem: Der darin enthaltene und nicht eindeutig eingegrenzte Begriff „Cannabismissbrauch“. Seit Juni 2024 wird Missbrauch in der entsprechenden Anlage der FeV folgendermaßen definiert: „Das Führen von Fahrzeugen und ein Cannabiskonsum mit nicht fernliegender verkehrssicherheitsrelevanter Wirkung beim Führen eines Fahrzeugs können nicht hinreichend sicher getrennt werden.“ Nun ist ein regelmäßiger Konsum nicht gleich ein Missbrauch. Ab wann jedoch davon auszugehen ist, dass jemand Konsum und Fahrzeugführung nicht mehr „hinreichend sicher“ voneinander trennt, geht aus dem Gesetzestext nicht hervor. Das bedeutet: Auch hier muss im Einzelfall geprüft werden. Das bedeutet aber auch, dass man Entscheidungen bzw. Maßnahmen seitens der Behörden nicht einfach hinnehmen muss: Eine rechtliche Überprüfung kann sich durchaus lohnen.

Ob die Regelungen zu Cannabis im Straßenverkehr, wie sie seit dem 1. Juli 2024 gelten, dauerhaft so bestehen werden, bleibt abzuwarten. Nicht wenige Fachleute und Beobachter kritisieren mehrere Punkte. So beschäftigten sich auch am 31. Januar 2025 beim 63. Verkehrsgerichtstag in Goslar Verkehrsrechts- und Staatsanwälte sowie Vertreter von Polizei und Verbänden intensiv mit den Folgen der neuen Gesetzeslage für den Straßenverkehr. Das Ergebnis: Die Fachleute sehen noch Änderungsbedarf in Bezug auf die derzeit gängige Regelung.

Eines der zentralen Themen des Arbeitskreises war der Mischkonsum von Cannabis und Alkohol. Laut Bundesverkehrsministerium ist es erlaubt, „mit weniger als 3,5 Nanogramm THC pro Milliliter Blut sowie weniger als 0,5 Promille Alkohol im Blut Auto zu fahren – sofern der Straßenverkehr nicht anderweitig gefährdet wird“ (NJW/beck-aktuell, 24. Januar) In dieser Sache wünschen sich die Fachleute eine vollständige Nulltoleranz. Diese gilt derzeit nur für Fahranfänger, also innerhalb der Probezeit bzw. für Personen unter 21.

Ein weiterer Punkt, der bei dem dreitägigen Kongress bemängelt wurde, waren die Testverfahren: Bereits im Vorfeld wurde kritisiert, dass es derzeit bei Verkehrskontrollen keine Möglichkeit gebe, mittels präziser Schnelltests verlässlich den akuten THC-Wert festzustellen. Entsprechend wurde die „zeitnahe Entwicklung von verdachtsausschließenden Vortestmöglichkeiten“ gefordert.

Mit der Änderung der Fahrerlaubnisverordnung sollten Cannabis und Alkohol gleichgestellt werden. Angesichts der Schwierigkeit, den Grad der Beeinträchtigung durch bestimmte Mengen sicher zu bestimmen, mag die nun gültige Regelung dies letztlich vielleicht nicht in Gänze leisten können – mehr Sicherheit haben Cannabiskonsumierende nun aber schon. Immerhin sind die Zeiten der faktischen Nulltoleranz endlich vorbei. Sicherlich werden in Zukunft noch einige Details angepasst werden. Doch wer verantwortungsvoll mit seinem Konsum umgeht, ist endlich nicht mehr der Gefahr ausgesetzt, zu einer MPU genötigt zu werden oder die Fahrerlaubnis zu verlieren.

Allzu leichtfertig sollte dabei aber niemand sein: Es gibt keine pauschal gültige Angabe, wie viel Zeit zwischen dem letzten Konsum und der Teilnahme am Straßenverkehr liegen sollte, um den Grenzwert sicher einhalten zu können. Individuelle Unterschiede in der Verstoffwechslung von THC sowie unterschiedliche Konsumgewohnheiten und weitere Faktoren machen eine allgemeingültige Angabe unmöglich. Während der Grenzwert bei vielen regelmäßigen Konsumierenden schon zehn Stunden nach dem letzten Konsum unterschritten werden kann, kann es in anderen Fällen durchaus auch 24 Stunden oder länger dauern.

Derzeit gültige Regeln für Cannabis im Straßenverkehr

  • Seit dem 22. August 2024 gilt für THC ein Grenzwert von 3,5 Nanogramm/ml Blut
  • Für Personen innerhalb der Probezeit bzw. unter 21 gilt Nulltoleranz, ein Verstoß wird mit einem Bußgeld von 250 Euro geahndet
  • Grenzwertüberschreitung bedeutet in der Regel 500 Euro Bußgeld und ein Monat Fahrverbot, bei Mischkonsum 1.000 Euro Bußgeld
  • Bei früherem Entzug der Fahrerlaubnis nach alter Gesetzgebung aufgrund eines einmaligen Vergehens mit festgestelltem THC-Wert unterhalb des neuen Grenzwerts besteht die Möglichkeit auf Einzelfallprüfung zur Wiedererteilung ohne MPU.

 

 

  • Dieser Artikel stammt aus der grow! Ausgabe 02-2025. Falls du diese Ausgabe nachbestellen möchtest, schau doch mal in unseren Shop.
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