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Marteria: Kiffen muss stylisch bleiben

28.08.2017 14:21
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deutschland

Wie hätten wir nein sagen können? Marteria, a.k.a. Marsimoto, a.k.a. Marten Laciny, lud Anfang Mai Pressevertreter ein, um sein neues Album 'Roswell' vorzustellen. Wir sprachen mit dem redseligen Rostocker Rapper über seine Musik, das Flair von Südafrika und die Kunst, Kiffen und Superstar-Karriere unter einen Hut zu bringen.

grow! Marten! Dein neues Album nennt sich einfach 'Roswell'. Dass du an Aliens glaubst, war uns klar - aber bist du auch ein Verschwörungstheoretiker?

Marten: Nee. Der Sinn dahinter ist für mich ein ganz anderer, wie auch bei dem 'Aliens'-Song. Für mich sind Aliens keine Außerirdischen, sondern Außenseiter. Das zieht sich durch mein Leben durch: So Typen, die's verdient haben, dass man sie beschützt, oder dass man auf sie aufpasst. Ich glaube, das kommt auch aus meiner Hip-Hop-Zeit in Rostock ... das war ne kleine Szene von drei-, vierhundert Leuten. Damals gab's viele Probleme – und man war immer der Außenseiter. Gehst du da falsch lang, kriegst du von den Nazis auf die Fresse. Wenn dann einer aus einem anderen Land zu uns an die Schule kam, haben wir den genommen und gesagt „Du gehörst jetzt zu uns, wir passen auf dich auf“. Dass man Schwächere, die es einfach scheiße haben oder aus einer beschissenen Situation kommen, beschützt – das war immer meine Definition von Hip Hop. Denk an einen der größten Welthits: „I'm an Alien ... I'm an Alien in New York“. Da geht es ja nicht darum, dass man sich wie ein Alien fühlt, sondern, dass man ein Alien ist. Und, wenn man es so filmisch betrachtet, die ersten Zeilen der Platte ... du hast sie schon gehört, oder?

grow! Oh ja!

Marten: … die ersten Zeilen sind ja „Aus Area 51 wird Marteria 51 / Aus Roswell wird Rostock“. Ich hatte das immer filmisch gesehen, stell dir vor: Das Ortseingangs-Schild 'Rostock', krasser Regen, nachts, das Wasser fließt da so runter ... 'Ros' bleibt stehen und 'tock' geht weg, und dann steht da 'Roswell'. Das war das erste Bild, das ich zu dieser Platte hatte. Eigentlich geht’s nur darum. Ich bin kein Verschwörungstheoretiker. Aber ich finde schon, dass Leute, die nicht an Außerirdische glauben, in die Klapse müssen. Das geht ja nicht! Es wird ja irgendwo Leben geben, das All ist unendlich.

grow! Woran glaubst du noch?

Marten: Was die Menschen nicht sehen, begreifen sie nicht. Genau so wie Spiritualität – aber es gibt diese krassen Medizinmänner, die wirklich ganz verrücktes Zeug drauf haben. Ich hab das in kleiner Form beim Reisen immer mitbekommen. Ein Medizinmann hat mal zu mir gesagt: „Immer, wenn du in einem anderen Land bist, musst du als allererstes zum Markt gehen und eine Zwiebel essen.“ Mach ich seitdem immer. Der Sinn: Die Zwiebel kommt aus der Erde, und jedes Land hat eine andere Erde. Dadurch baust du einen inneren Schutz auf, wenn du die Zwiebel isst.

 

 

Marteria - Photo by Paul Ripke
Marteria - Photo by Paul Ripke

grow! Sowas Ähnliches sagt man auch über Bienenhonig, was Allergien angeht.

Marten: Genau! Und ich hatte nie etwas gehabt auf meinen Reisen – von der Straße die Ziegenspieße gekauft, hier, die anderen Leute alle am Kotzen, am Scheißen, am ... – ich hatte das nie! Es gibt eine verrückte Welt, die man nicht so wahrnimmt. Aber ich glaube, ich bin so 'normal' oder so 'verrückt' wie jeder andere auch. Ich kenne fünf oder sechs Ufo-Dokus und war im Loch-Ness-Museum in Schottland.

grow! Kannst du uns ein bisschen einweihen, wie die neue Marteria-Platte entstand?

Marten: Eine Platte ist bei mir immer so ein Rückblick auf die letzten zwei, drei Jahre – das, was man so an Textideen sammelt. Plus autobiographische Sachen, die von früher sind – so eine Art Album im Album. Auf der Platte sind es 'Große Brüder' und 'Skyline mit zwei Türmen'. Das eine ist ein Song, so ... vorpubertär, der andere ist aus der New-York-Zeit, Ende 17, mit Heimweh, wie es so ist – alleine in New York.

grow! Du bist also alte Tagebücher durchgegangen?

Marten: Für den Song tatsächlich. Für 'Große Brüder' jetzt nicht, weil ich mit 12 auch noch nicht getextet habe. Aber 'Skyline mit zwei Türmen' habe ich in einem alten Textbuch gefunden, und so zwei, drei Zeilen stammen aus diesem alten Text. „Bin schon fast 18 / Beiß jetzt in den großen Apfel“.

grow! Und die Aufnahmen an sich – ging das relativ flott aufeinander oder sind die Lieder nacheinander in diesen zwei Jahren entstanden?

Marten: Immer unterschiedlich. Eigentlich sage ich mir: Ich reise! Ich bin ja die Hälfte des Jahres nicht in Deutschland, ich bin meist der Außenseiter, der Ausländer. Ich hab mir mal gesagt, dass ich aus jedem Land ein Lied mitnehmen will. Ohne Druck ... aber ich will eine Idee für einen Song mitnehmen. Aber dann kann genau so ein Song auch auf der Raststätte zwischen Hamburg und Rostock kommen. Oder beim Duschen. Oder Nachts um vier. Da gibt’s kein Geheimnis.

 

Marteria - ROSWELL Cover

Und dann sind wir einfach in Berlin, mit The Krauts zusammen. Dann ist es gut, dass ich die Krauts seit mittlerweile acht Jahren als Produzenten habe. Und dass es auch drei sind und es nicht nur ein so'n Hänger ist, der sagt „Ja, Digga, mach ma so!“ -, sondern es sind drei Meinungen. Und dann komme ich mit einem Thema, und dann müssen wir alle sagen: Es ist geil – wir gehen mit diesem Song. Und dann entsteht das einfach in Berlin.

grow! Du hast übers Reisen gesprochen – dein letztes Video ist in Südafrika entstanden, das scheint es dir angetan zu haben. Warst du da vorher schon einmal und wolltest da nochmal hin – oder war das eher nur ein interessanter Drehort für euch?

Marten: Ich war vorher schon einmal da. Also ... ich finde Südafrika strange. Das hat sehr viele Aspekte, die unfassbar nicht-gut sind, du merkst diese krasse Rassentrennung so heftig, und wie das alles einen so total wahnsinnig macht. Wie sich die Leute abschotten und schützen, dieser Sicherheitswahn, und jeder hat mindestens erstmal fünf Türen, ehe du im Wohnzimmer bist. Das ist ein verrücktes Land! Wenn man sich dann mit den Leuten so unterhält merkt man, meine ich, dass man das immer ein bisschen aus seiner europäischen Sicht sieht. Wenn du dich mit vielen da unterhältst, würden die nie sagen, dass ihre Eltern Rassisten sind – weil die Apartheid in Südafrika bis in die Mitte der 80er Jahre dauerte, die kannten das gar nicht anders, so sind die ja aufgewachsen! Das ist so krass, wie das so funktioniert.

Ich hatte diesen Moment mit Robben Island; also die Insel, wo Nelson Mandela 35 Jahre lang gefangen war. Man kann das vergleichen mit Alcatraz in San Francisco: Das ist nur zwei Kilometer von Kapstadt weg; die Leute haben also praktisch all die Jahre zu dem einzigen Menschen, der das Land retten konnte, hingesehen. Der einzige Mensch, der für den Frieden steht, der Held dieses Landes, war da eingesperrt ... und jeden Tag siehst du ihn! Ein mieses, schlimmes Gefühl. Dann stehst du da, kommst gefühlsmäßig eigentlich so gar nicht richtig zurecht damit, weil es so verrückt ist. Dadurch merkst du dann diesen inneren Hass auch, der überall herrscht – es ist verrückt! Es gibt ganz, ganz viele liebe und tolle Menschen, aber es gibt auch so eine große Anspannung, die die ganze Zeit in der Luft liegt ...

grow!

Marten: …aber, um zurück zu deiner Frage zu kommen: Es ist auch einfach logistisch wichtig: Das Licht in Südafrika ist einzigartig auf der Welt - ein unfassbar tolles Licht. Und du hast Produktionsfirmen da. Und du musst auch Technik haben, du musst logistisch arbeiten können. Und das geht halt nicht einfach irgendwo.

grow! War 'Aliens' jetzt ein Lied, das du aus Südafrika mitgebracht hattest?

Marten: 'Aliens' war das erste Stück, das ich für die Platte geschrieben hatte. Da gibt es jetzt keinen Ort, wo das konkret entstanden wäre. Es war irgendwo im Ausland, ich weiß nicht mehr genau, wo mir ein, zwei Zeilen zu der Hook eingefallen sind. Da gibt es fünf Songs auf der Platte, das sind 'Tauchstation', 'Roswell', 'Aliens', 'Skyline mit zwei Türmen' und 'Elfenbein' - das sind die Lieder, die eigentlich schon sehr, sehr lange da waren. Von denen wusste ich, die kommen auf die Platte; die ich aber immer weiter gedacht habe, weil ich nicht richtig zufrieden mit ihnen war - und du musst halt immer irgendwas suchen, bis du schließlich sagst „Yes! Jetzt ist es geil!“

grow! Wenn es nach dir gehen würde – welche Singles würdest du gerne noch als Video rausbringen?

Marten: (überlegt) Kann man voll viel machen ... wir haben ja auch einen Film gedreht, wo viele Herzenswünsche drin untergekommen sind. Der Film basiert eigentlich auf dem Song 'Elfenbein', den ich sehr stark und sehr persönlich finde – ich merke das jetzt gerade beim Proben für die kleine Clubtour - du merkst, welche Songs dir nahegehen. Was man jetzt an Videos drehen kann ... hm, du kannst zu 'Skyline mit zwei Türmen' ein geiles Video drehen, du kannst zu 'Tauchstation' ein geiles Video drehen, zu 'Links', 'Scotty, beam mich hoch' ... es gibt viele Bilder. Aber wir sind jetzt schon unfassbar pleite! (lacht) Diese Aktion hat uns mehr als nur Nerven und Wahnsinn gekostet. Wie viel Energie und wie viel Geld und wie viel Aufwand in diesem Filmprojekt steckt, das ist schon sehr, sehr viel. Und eigentlich sollen die Leute sich auch selber Bilder machen zu Songs, du musst nicht alles bebildern.

 

Marteria - Antimarteria Filmplakat
Marteria - Antimarteria Filmplakat

grow! Der Film, von dem du sprichst, ist „Anti-Materia“, richtig? Was kannst du uns darüber verraten?

Marten: Der spielt in Südafrika, in den Townships. Ich habe mich am Anfang mit Specter getroffen, ich bin einfach ein riesengroßer Fan von ihm. Dieser Style, dass er das Berliner Blut und das Pariser Blut hat. Der Aggro-Berlin-Gründer, der die ersten Videos von Sido machte ... wie das alles halt war. Der einfach diese Optik und diesen Style hat. Für mich ist er der tollste Video-Regisseur, den es in Europa gibt. Dann haben wir uns hingesetzt, wollten einfach ein Musik-Video machen und haben dann gemerkt, dass das alles ein bisschen größer ist, als wir eigentlich dachten – dass wir eigentlich einen Film machen müssen. Angelegt war es auf 15, 20 Minuten – jetzt sind es irgendwie 50 Minuten.

grow! Wird das im Netz erscheinen oder plant ihr wirklich einen Kino- oder TV-Release?

Marten: Nee, dafür ist es zu kurz. Wir ballern es einfach raus, jeder kann's sehen. Das ist immer das Ding: Sind zwar alle pleite, aber jeder soll's sehen. Du könntest das natürlich bei Netflix oder sowas machen, aber dann begrenzt du die Leute.

grow! Worum geht es? 

Marten: Es ist eine verrückte Geschichte: Kein Album-Film, sondern ein Film, der für sich steht. Und es sind credible Schauspieler dabei, von Freddie Lau bis hin zu Emilia Schüle und Trystan Pütter. Ich spiele auch eine Rolle - halt mich selber. Ich bin die einzige normale Konstante in dem Film.

grow! Es wird also völlig anders als etwa der 'Grüne Samt'-Film?

Marten: Genau ... das wird ein Musikfilm. 'Grüner Samt' war eher ein Gag, der die Stimmung in Spanien einfangen sollte. 'Anti-Marteria' ist ein echter Film mit Geschichte, mit Story dahinter. Er basiert auf dem Song 'Elfenbein'. Er ist hochpolitisch, hochmärchenhaft, hat total viele Ebenen. Das erste Bild, was ich hatte, war, dass es in Afrika einen Stamm von Menschen gibt, die Elfenbein-Zähne haben. Richtige Elfenbein-Zähne, die ihnen aus der Wange kommen. Das ist der letzte Stamm – und die werden gejagt. Wie Nashörner, wie Elefanten. Denn aus dem Elfenbein machen sie das allerkrasseste Koks, so ein Zeug namens 'Elfenstaub', das das heftigste Zeug auf der Welt ist. Der kleine Held der Geschichte – 'Ivory' – er sieht, wie seine Mutter getötet wird, und er rächt sich dann an diesem ganzen System der Welt. Das ist ein märchenhaftes Bild, aber es ist ja die Realität: Arme Leute werden ausgebeutet, damit reiche Leute krass sein können. Da werden Straßen gebaut, damit man das Land gewinnt, Gold, Diamantenhandel, die Miners, die ja richtig BIG sind, auch in Südafrika. Da mussten wir uns manchmal um Locations battlen ... haben Locations einfach nicht bekommen, weil die Miners, die Minenleute, die mit Gold und Diamanten handeln, unfassbare Milliardäre sind, die da einfach ihre Koks-Parties feiern. Und die sagen dann „Ja, wir zahlen dreimal so viel – die müssen weg!“ Das ist so verrückt, was für eine Ausnutzung und Ausbeutung der Welt.

 

Marteria - Antimarteria Filmplakat
Marteria - Photo by Pau Ripke

Aber ja, der kleine Junge rächt sich halt, hat noch ein paar Assassinen, die rächen sich, Marsi rächt sich, ich bin Teil des Ganzen, werde umgebracht von Ivory – und die Message ist, dass man sich nicht rausnehmen darf. Es geht nicht um Gut und Böse, es geht darum, dass wir alle es sind: Mit den Schuhen, die du trägst, die ich trage, mit deiner Uhr, wie das hergestellt wird, wie die Welt funktioniert – dass man irgendwann checkt, dass es nicht Gut und Böse gibt, sondern dass alle sozusagen Anteil haben. Dass die Welt eigentlich eine neue Ordnung und eine neue Gleichheit braucht. Und eigentlich auch das Geld weg muss – doof gesagt. Weil das Geld es ist, was die Leute so verrückt macht; das macht die Reichen so krass reich und dadurch werden die immer wilder und wahnsinniger, und du merkst, dass das irgendwann gar nicht mehr weitergeht.

grow! Du willst eine Anti-Ma(r)terille Welt?

Marten: Die Welt muss anders laufen! Das klingt verrückt, aber ich glaube, das alles wird uns um die Ohren fliegen. Im Film darfst du eben alles machen. Deswegen ist es auch sehr märchenhaft dargestellt. Weil es ja auch ein hart antikommerzielles Thema ist. Es ist das größte und aufwändigste Projekt, das ich je gemacht habe. So viel Planung steckt darin und das Ganze dauerte jetzt ein Jahr. Es ist hochpolitisch, aber auch märchenhaft. Man symbolisiert mit Helden. Mit einem kleinen Mädchen vom Stamm der Assassinen, dem kleinen Ivory, dem letzten Überlebenden aus seinem Stamm und den Typen wie uns, die einfach so nach Afrika kommen. Ich nehme mich halt nicht raus. Ich bin nicht der Held, der da hinfährt. Es gibt auch eine Szene in einem Township, wo ich freestyle und rappe – und keiner applaudiert. Würden andere Rapper nicht machen, weil das uncool ist. Aber es ist eben so – warum sollten sie applaudieren? Dann kommt aber ein Fußball, und alle feiern, spielen Fußball. Das ist so, wie ich Afrika kennengelernt habe. Wenn man Bock hat, sich auf den Film einzulassen, dann hat das ganz, ganz tolle Ebenen. Ebenen, die weh tun, die ganz toll sind, die zum Heulen sind und die zum Lachen sind.

grow! 'Aliens', 'Links', und eben auch 'Elfenbein' sind alles durchaus politische Songs. Wie würdest du deine Message dahinter aufdröseln?

Marten: Das ist eigentlich nichts Neues, und ich bin kein stark politischer Mensch. Ich finde die meisten Politiker einfach wack. Politiker, die man irgendwie cool findet, ganz ehrlich? Die kann man an einer Hand abzählen. Rapper – oder Musiker –, die die Jugend erreichen, sind viel krassere Politiker als die Politiker! Weißt du, wenn ich ein 17-jähriger Typ bin, auf wen höre ich dann? Auf irgendeinen 70-jährigen Typen von irgendeiner Partei oder auf einen Musiker, der mir irgendeine Message mitgibt?

Ich bin halt aus einer politischen Familie, würde mich aber nicht als hart politisch einschätzen. Ich bin einfach links denkend. Durch das Reisen und auch durch den Einfluss meiner Familie unterscheide ich die Menschen halt nicht danach, wo sie herkommen. Ich unterscheide sie nach 'Coolen' und 'Idioten' - und die hast du in jedem Land. Darum geht’s ja. Diesen Weg, „links zu gehen“, heißt ja nicht, du musst jetzt 'Die Linke' wählen. Sondern es ist gemeint, hey, wenn du nicht mehr weißt, wohin, geh einfach links. Das ist besser. Stell dem alles unter. Hab einen klaren Menschenverstand, bei den Sachen, die du machst. Das, finde ich auch, ist das Besondere und das Schöne an dem Song, weil das ne tolle Herangehensweise für mich war, dass man alles dem unterordnet – also, ich glaub nicht, dass die PETA sich krass freut, in einer Line zu stehen mit so Pelzträgern. Weil sie da die ganze Zeit gegenfighten.

grow! Gib uns ein Beispiel.

Marten: Ich bin Angler, und kriege deswegen natürlich auch harten Hate von Leuten. Aber natürlich liebe ich Fische und ich liebe Tiere. Ich finde es nur einfach besser, keine Fischstäbchen und kein Sushi zu kaufen, sondern mir den Fisch auch selber zu fangen! Und wenn ich mir sechs Fische fange, einen zum Mitnehmen, einen für meinen Nachbarn, und den Rest, der zu groß oder zu klein war, wieder schonend ins Wasser lasse – dann hab ich einen ganz besonderen Umgang mit der Natur. Aber: Ich respektiere die PETA, auch wenn sie mich vielleicht nicht respektiert. Sie kämpfen ja die ganze Zeit für die Rechte der Tiere. Finde ich auch was Tolles – aber ich bin nun mal Angler. Das ist das einzige, was mich gerade erdet ... weil ich seit zweieinhalb Jahren keinen Alkohol mehr trinke und außer Kiffen keine Drogen mehr nehme - und bin deswegen 'die Wahnsinnigkeit' in Person! (lacht)

Das muss ich ein bisschen beim Angeln rauslassen – und ich liebe das, auch draußen in der Natur zu sein. Und ich lerne so auch die Welt kennen, weil Angler meistens immer echte Typen sind, so alte Rocker, alte zugehackte Leute, die ein krasses Suchtproblem hinter sich haben – wir haben alle sehr oft eine ziemlich ähnliche Vergangenheit. Man lebt so praktisch die Wahnsinnigkeit in dieser Welt aus. Das ist auch kein Hobby, es ist viel mehr als das. Es ist eine ganz andere Ebene im Kopf.

grow! Du willst keinen Alkohol mehr und bei den übrigen Drogen hast du dich auf Cannabis beschränkt – hast du deswegen auch Berlin verlassen?

Marten: Nicht wirklich. Ich hatte halt Nierenversagen, ein richtig krasses, körperliches Ding. Ich wäre ja fast gestorben. Das ist keine kleine Sache, das ist eine harte, lebensbedrohliche Situation. Gibt fast nichts schlimmeres auf der Welt, was dir passieren kann – du stirbst halt. Oder bist dein Leben lang schwerstbehindert. Bei mir sind sie zum Glück wieder angesprungen, aber klar, die Selbsteinschätzung ist dann das Entscheidende: Was bist du für ein Typ? Ich war nie ein krasser Alkoholiker oder so Hardcore-Drogen-Typ, aber wenn – dann volle Kanne! Drei Tage durch, gar kein Ding. Und dann musst du das halt reflektieren, wenn du merkst, du bist halt nicht der Ein-Bier- oder Ein-Gläschen-Wein-Typ. War ich halt nicht.

Ich kann jetzt auch ein Bierchen trinken oder so - aber ich weiß, wo's endet! Und ich habe halt gemerkt: Ich kann es einfach nicht mehr machen; ich will einfach fresh sein, will Power haben, will geile Texte schreiben, will reisen - ich will alles bewusst erleben. Und will dann abends einen Joint rauchen. Weißte? Das ist mein bewusstes Leben. Das ist das, was ich schön finde und was für mich Sinn macht. Tua, ein anderer Rapper und Produzent, hat mir gesagt: „Man gewinnt den Tag und man verliert die Nacht.“ Und das ist so genial, weil es darum geht.

grow! Welche Rolle spielt Gras in deinem Workflow?

Marten: Also bei mir bemerke ich, dass ich ein ganz zwiespältiges Verhältnis zu diesem ganzen Super-Gras habe, das die hier in Berlin alle rauchen. Das geht gar nicht klar. Für die letzte Marsi-Platte waren wir auf Jamaika, und das ist so, wie ich mir das vorstelle: Dieses ganz leichte Gras ... und du siehst dieser Pflanze dabei zu, wie sie wächst. Das ist so geil, das macht dich high, bist aber nach drei, vier Minuten sofort wieder entspannt und kannst einfach alles machen. Und wenn ich mir das Zeug ansehe, das die hier in Berlin rauchen ... das ist so unfassbar, dass die sich da dran gewöhnt haben. Ich weiß ja nicht, wie es bei dir ist – es geht ja schnell.

grow! Berlin liebt sein Haze ...

Marten: Das ist Heroin-Zeug! Zum Runterkommen-Gras! Dieses ... das merkst du ja auch daran, wie es jetzt in den USA ist, mit diesen verrückten Shops, Apotheken, ganze Gras-Supermärkte - da gibt es alles, diese Hardcore-Sativas à la 'es killt dich einfach'. Ich merke, wenn ich zu tolles Gras rauche, werde ich irre. Ich denke dann nur negatives Zeug. Es macht mich total psycho! Weil sich der Markt ja auch anpasst. In den Vereinigten Staaten merkt man das daran, dass sie jetzt so ein Problem haben mit Crystal Meth: Die Leute müssen etwas kiffen, um vom Crystal-Trip wieder runterzukommen, oder vom Heroin, vom Crack, von all dieser Scheiße. Bei denen ist das Problem ja in der Mitte der Gesellschaft, nicht bei den Assis. Ich habe da Leute kennengelernt ... Heroin ist gerade wieder so hart im Kommen, auch mehr als Crystal, bei den Porsche-Typen! In diesen Vororten! Ich bin da eher so Nature-Boy. So ganz, ganz leichtes Gras, was mich entspannt, am besten, wo ich selber noch die Pflanze gesehen habe. Früher hab ich mir einfach alles in den Mund gesteckt und alles geraucht. Aber jetzt achte ich da ein bisschen drauf. Wie das halt auch auf Jamaika ein bisschen läuft, das hat mich total beeinflusst.

grow! Wir haben viele junge Leser, die deine Liebe zu Hip Hop und deine Liebe zu Gras teilen. Du hast eine irre Karriere erlebt – was würdest du der nächsten Generation mit auf den Weg geben?

Marten: Ich finde das immer sehr, sehr schwierig, weil du nur von dir selbst ausgehen kannst. (überlegt). Besonders was Konsum angeht ...

grow! Nein, nein, ich meine generell, an Weisheiten.

Marten: Klar, ich weiß. Also generell, was mit Kiffen zu tun hat, da muss jeder wissen, ob es einem gut tut oder nicht. Du darfst nie in diese Hänger-Mentalität kommen! Ich hatte so eine Zeit, in der ich krass Bong geraucht habe – das war totaler Horror für mich. Ich hab nichts mehr gemacht. Ich bin nicht mehr zu meinem Schauspiel-Studium gegangen ... oder vielleicht zwei Tage die Woche. Das geht halt nicht – es ist nicht cool und hat auch nichts Cooles – und Kiffen muss cool sein. Was stylischen Drogenkonsum angeht, ist Kiffen das einzige, was übriggeblieben ist - und ich finde es schwer, in dem Zusammenhang das Wort 'Drogen' zu benutzen. Aber es ist das einzige, was noch stylisch ist. Sich eine Line reinzuknallen? Das ist nicht stylisch, das ist eklig.

Jeder muss damit umgehen können, das ist das Wichtigste. Wenn du merkst, dass du diesen Moment hast, dass du nicht mehr hochkommst, das ist wack. Ich hab damals Cypress Hill gehört und hab angefangen zu kiffen. Ich wusste am Anfang gar nicht, wie ich einen Joint bauen soll. Ich weiß noch, ich und mein bester Freund saßen da so am Strand und hatten so Hasch ... und wir haben es einfach gegessen. (lacht)

grow! Das ... ist auch eine Option!

Marten: (lacht) Es war ein Mega-Turn! Wir waren so „Hä? Wie baut man jetzt nen Joint? Klebeseite? Was?“ Aber egal, Kiffen begleitet mich immer und ich hab das immer in so Phasen gehabt, gerade beim Texten für Marsimoto. Es gibt Phasen, wo ich auch doller kiffe, aber nur wenn mein Körper merkt „Jetzt kannst du einen Joint rauchen“ – und das ist im Moment nicht oft. Im Sommer jetzt wieder öfter, aber dann nicht jeden Tag dreimal. Das ist am Abend mal. Aber auch nicht jeden Tag – manchmal ist einmal pro Woche 'Der Moment' da, wo ein Joint passt. Darauf achte ich auf jeden Fall.

 

Marteria - Photo by Paul Ripke
Marteria - Photo by Paul Ripke

grow! Vor sechs Jahren sagtest du uns im Interview, dass du eindeutig für die Legalisierung wärst. Vor drei Jahren hat dein Alter Ego Marsi dann verkündet „Illegalize it!“ War das schwarzer Humor?

Marten: (gespielt ernst) Nun, Marsimoto ist Marsimoto und Marteria ist Marteria.

grow! Kann man nix zu sagen?

Marten: Kann man nix zu sagen – der Marsi ist ganz klar dagegen und hat auch sehr gute Denkanstöße, finde ich. Der beste Denkanstoß: Dass es schon immer geheim war. Diese geile Kreativität – Kiffen ist ja von vorne bis hinten kreativ: Um Zeug irgendwo reinzuschmuggeln musst du kreativ sein! Wie machst du sowas? Wo baust du?

grow! Wie drückst du's in einer SMS aus?

Marten: Ja! Diese ganze schöne illegale Welt würde einfach wegfallen. Okay, es würde praktisch genau so sein, wie es jetzt ist. Es würde ja immer noch an ganz, ganz vielen Orten nicht erlaubt sein. Die Legalisierung – in dem Sinne, dass Leute nicht mehr wie Straftäter behandelt werden – ist schon mal ein erster Schritt. Und das ist meine Meinung – das ist scheiße, das geht auch nicht klar. Aber du kannst auch nicht zwei Gramm kiffen und dann noch Auto fahren! Das geht genau so wenig klar! Weil du einfach ... sterben kannst! Oder einen Unfall baust. Ich merke zum Beispiel, ich kann auch nicht kiffen und angeln! Geht nicht – ist für mich komplett unmöglich!

grow! Wirklich?

Marten: Ja, man denkt immer: Lass uns schön einen kiffen – aber nein! Ich bin Raubfischangler – ich muss auf die Sekunde da sein. Wenn der Fisch, ein Zander zum Beispiel, den Köder einsaugt, lässt er ihn auch sofort wieder los. Du musst in der Sekunde anschlagen! (zieht eine imaginäre Angel hoch) Das schaffe ich nicht bekifft! Ich bin halt einfach so – es macht mich zu einem schlechteren Angler. Kiffen ist ein Moment von Freiheit und ein Moment von nichts-zu-tun-haben. Wo ich ... relaxt sein kann. Wissen, ich hab jetzt gerade keinen Termin. Ich hab kein Ding. Für mich – ich rede nur von mir! Aber das meine ich mit Kiffer-Momenten, dieses so Kein-Stress-kein-Termin-nichts. Nicht „Ich kann jetzt schnell einen Kiffen – ich hab ja erst in einer Stunde was“. Vielleicht geht das bei vielen, bei mir nicht. Ich muss frei haben, der Tag muss rum sein – oder ich muss kreativ sein. Wir lieben das, wenn wir Texte schreiben – jetzt waren wir gerade wieder in Osnabrück und haben Textcamp gehabt mit den Krauts. Kiffen und Texte schreiben ist so geil, ist auch nie so, dass man am nächsten Tag, wie von Alkohol, realisiert 'Oh, ist ja doch alles scheiße'. Sondern immer noch: 'Ja, es ist geil'. Es macht dich einfach kreativ und es lässt dich auch die Welt mit anderen Augen sehen. Und das ist es, was Marteria-Songs auch sind, oder eben Marsi-Songs, nämlich ein Thema zu haben, das man anders anguckt. Da ist Gras das Ding, was mir total viel geholfen hat. Wunderbare Songs sind so entstanden.

grow! Als dein Pressesprecher mit uns wegen des Interview-Termins telefonierte, deutete er etwas Merkwürdiges an, nämlich, dass die Grenzen zwischen Marsimoto und Marteria bald etwas zerfließen werden? Was hat es damit auf sich?

Marten: Naja, wahrscheinlich werden Marteria und Marsimoto eins werden, und dann wird es ein letztes Album geben, und dann werde ich irgendwo nach Südamerika gehen und dort Angel-Guide sein. Wahrscheinlich. Aber wer weiß, wann das passiert?

grow! Dann bin ich mal gespannt ... aber Marten, vielen Dank für deine Zeit!

Marten: Vielen Dank, mein Lieber!

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