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Manche mögen‘s weiß – Lichtausbeute ist Reflektionssache
Als die ersten Growboxen in Kompaktbauweise in den 1990er Jahren auf den Markt kamen, funktionierten Schränke wie der „Monkey“ bereits sehr gut, waren jedoch relativ kompliziert zu montieren. Zudem waren sie sperrig und unflexibel. Es wurde Zeit für eine leichte, flexible Kammer, die sowohl erschwinglich als auch leicht handhabbar sowie schnell auf- und abbaubar sein musste. Nach einigen Versuchen mit Prototypen brachten eine Berliner und eine Schweizer Firma fast zeitgleich eine Growbox in Zeltbauweise auf den Markt. Zu Anfang des Jahrtausends, als die ersten Indoor-Zelte in Deutschland und der Schweiz Cannabis beherbergten, galt es dort noch unumstritten, dass eine weiße Innenbeschichtung die bestmögliche Reflexion des vorhandenen Lichts bietet. Nachdem es dann Mitte des letzten Jahrzehnts zahlreiche Kopien und Anbieter gab, gingen einige Produzenten dazu über, ihre Zelte mit einer silbernen Innenbeschichtung auszustatten und diese als Mylar zu bezeichnen. Seitdem sind Homegrower nicht nur in den Ursprungsländern des Growzelts in zwei Fraktionen gespalten: Die einen glauben, dass silbern beschichtete Boxen besser reflektieren und zudem für Wärmebildkameras unsichtbar sind, andere meinen, weiß reflektiere besser und verursache weniger Wärmestau im Zelt.
Was sagt der Fachmann?
In Jorge Cervantes‘ „Growbibel“ konnte man bereits 1996 nachlesen, dass es kaum etwas gibt, was besser reflektiert als alpinweiße Wandfarbe. Nur silbern bedampftes Mylar weist laut Cervantes bessere Eigenschaften auf. Aber diese Folie ist extrem teuer und hat nichts mit dem zu tun, was normalerweise in Growboxen verwendet wird:
Echte Mylarfolie ist eigentlich eine transparente, biaxial orientierte Polyesterfolie, die mit Aluminium bedampft wird. Biaxial orientierte Polyesterfolien sind sehr dünne, reißfeste Folien mit vielseitigen Verwendungsmöglichkeiten, die schon seit den 1950er Jahren von verschiedenen Firmen für viele Anwendungsbereiche produziert werden. Mylar hingegen ist lediglich ein Markenname wie „Persil“.
Solche meist aluminiumbeschichteten Folien für den Grow-Bereich sind meist aus solchen Mylar-ähnlichen Materialen, die mit reflektierenden Lacken bedampft werden. Um gut reflektieren zu können, dürfen diese Folien weder geknickt noch gefaltet werden. Deshalb sind sie für den Einsatz in Growzelten kaum geeignet. So gibt es Folien mit pyramidenartigen oder blasenförmigen Auswölbungen, die die Oberfläche vergrößern sollen und als „Stukko“-Variante sogar unempfindlich gegen Spritzwasser sein sollen. Gute Fachverkäufer knicken Folien auf keinen Fall beim Verkauf oder beim Versand, sondern rollen sie. Durch Knicken büßt die empfindliche Oberfläche ihre Reflektionseigenschaften teilweise ein. Fest steht, dass diese hochpreisigen Folien meist das sind, was in silberbeschichteten Boxen verklebt wird. Deshalb bekleben einige Indoor-Gärtner ihre Zelte nachträglich mit solchen hochwertigen Reflektionsfolien.
Der Preis solcher High-End-Folien ist ungefähr 5 bis 10 mal so hoch wie der der oft genutzten Schwarzweiß-Folie. Die weist laut Jorge Cervantes einen Reflektionsgrad von immerhin 92 Prozent auf, hochwertige Folie mit silberner Spezialbeschichtung bringt es „Marihuana Indoor“ zufolge auf 94 Prozent. Dafür müssen diese Folien aber völlig plan verlegt, frei von Knicken und, ganz wichtig, frei von Wasserspritzern oder anderen Verschmutzungen sein. Denn leider hinterlässt insbesondere der Einsatz von Sprühflaschen, der beim Indoor-Anbau unumgänglich ist, hässliche Kalkränder und -flecken, die einen negativen Einfluss auf die Reflektionseigenschaften haben.
Nach Jorge Cervantes in den 1990er Jahren hat sich dann der tschechische Growbuch-Autor Mr. Jose dem Thema der Innenbeschichtung von Growzelten und Reflektionseigenschaften von Growfolien vor ein paar Jahren intensiv gewidmet. Dabei stand ein Testlauf an einem unabhängigen Institut in Prag im Mittelpunkt, bei dem die Lichtverteilung sowie die Hitzeverteilung in einer weiß und einer silber beschichteten Box genau gemessen und miteinander verglichen wurden. Der Autor ist dabei im Prinzip zum gleichen Ergebnis wie Jorge Cervantes gekommen. Als das Buch von Cervantes Mitte der 1990er Jahre auf den Markt kam, wurde die Lichtleistung in Lumen angegeben, wobei auch für Pflanzen nicht „sichtbare“ (verwertbare) Lichtfarben eine Rolle bei der Ermittlung des Werts spielten. Seit ein paar Jahren besteht die Möglichkeit, Messungen in PAR (photosynthetisch aktive Strahlung)/Watt durchzuführen. Diese Methode bezieht sich auf das von Pflanzen verwertbare Licht, nicht auf die gesamte Lichtleistung. Misst man den PAR-Wert, so wie auch Mr. Jose es in seinem Buch getan hat, schneidet Weiß immer am besten ab. Auch die Wärmeentwicklung innerhalb der Zelte spricht eindeutig für Weiß. Zwar haben silberne Zelte eine geringere Wärmesignatur und speichern in kühler Umgebung ein wenig mehr Wärme, dafür heizen sie sich innen schneller auf, weil die Wärme kaum nach außen abstrahlt. Ich habe zudem bis heute von noch keiner Box für den Eigenbedarf gelesen, die aufgrund von Wärmebildkameras enttarnt wurde, egal ob Silber oder Weiß. Das bleibt denen vorbehalten, die ganze Dachgeschosse oder Hallen zum Anbau anmieten.
Auch bei den High-End-Reflektionsfolien hat eine weiße Variante die besten Ergebnisse erzielt.
Während einfache Schwarzweiß-Folie in der Testreihe einen Reflektionsgrad von 94 Prozent PAR/m² aufgewiesen hat, konnte eine alubeschichtete, biaxial orientierte Polyesterfolie mit pyramidenförmigen Auswölbungen (Diamant) mit 108 PAR/m² Reflektionsgrad Platz zwei belegen. Testsieger wurde eine weiße Folie mit blasenförmigen Auswölbungen (Orca). Die wies einen Wert von 134 PAR/m² auf.
In Ãœbersee dominiert Silber
Während weiße Zelte in Europa seit ein paar Jahren eine wahre Renaissance feiern, haben sich in den USA und Kanada fast ausschließlich silberne Innenbeschichtungen durchgesetzt. Verantwortlich hierfür sind nicht die besseren Reflexionseigenschaften, der Grund ist viel profaner: Die ersten (billigen) China-Kopien des weiß beschichteten Originals, die die USA und Kanada vor über einem Jahrzehnt erreicht hatten, enthielten PVC (Polyvinylchlorid) statt PET (Polyethylen). Dessen hoher Anteil an Weichmachern wie Phthalsäureester verdampft durch die Wärme und die intensive Lichteinstrahlung im Inneren des Growzelts. So haben die ersten weißen Growzelte damals ganze Ernten gekillt und den Ruf weißer Innenbeschichtungen in Übersee gleich mit ruiniert.
Günther Gras
Quellen:
https://archive.org/
icmag.com
Marihunana drinnen/ Jorge Cervantes
Jak Pestvat indoor/ Mr. José
Dieser Artikel stammt aus der grow! Ausgabe 1-2019. Falls du diese Ausgabe nachbestellen möchtest, schau doch mal in unseren Shop. Alternativ findest du die Ausgabe auch als ePaper zum bequemen Lesen auf deinem Smartphone, PC oder Tablet.
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